Source:
Briefe der Zarin Alexandra von Russland an ihre Jugendfreundin Toni Becker-Bracht (2009), edited by Lotte Hoffmann-Kuhnt
The letter:
Zarskoe Selo den 10/22ten Mai 95
Meine geliebte Toni,
Ich muss Dir doch einige Zeilen durch den Feldjäger schicken. Einsam liege ich hier auf einer kleinen Insel — mein süsser Mann ist ausgeritten, wie ich bedaure ihn auf seinen Ritten nicht begleiten zu können kannst Du Dir denken. Aber wenn der Grund, der einem davon abhält, ein solcher ist wie der meine, dann kann man nicht klagen. Zu meinem grossen Glück auch noch diese unsagbare Freude in Aussicht — wie kann ich Gott jemals genug dafür danken. Ich bin sehr viel elend gewesen, aber nun geht es mir wieder besser, ich darf mich nur nicht ermüden & kann wenig stehen — dünn bin ich auch sehr geworden. Im November ist meine Zeit, dieses Dir im Geheimen gesagt. —
Willst Du so lieb sein & Deiner Schwägerin diesen Zettel & die kleine Brosche im weissen Kästchen von mir mit vielen Grüssen schicken. Wie lieb es von ihr war, mir das Bildchen zu brennen. — Dir schicke ich nun auch meine bescheidenen Hochzeitsgaben, nicht wissend an welchem Datum eure Trauung ist. Die Brosche mit dem Stein der Treue soll Dich Deine alte Freundin nicht vergessen lassen — die Salzfässchen hoffe ich sehr werdet ihr in täglichem Gebrauch haben — dann bin ich immer bei Dir. — Lass mich nur bei Zeiten Datum wissen & Pläne, damit Dich ein Brief noch zu Hause trifft & meine Gedanken & Gebete Dich begleiten können. —
Tausend Dank für die Photo; was er für einen edlen, schönen Kopf hat. Ich kann mir wohl denken wie sehr Du den Aufenthalt in Berlin genossen haben musst — & welch' grosse Freude seine Werke entstehen zu sehen. Du musst auch fleissig den Pinsel in die Hand nehmen, & nicht Dich vor ihm schämen, er, als grosser Maler, abgesehen von seiner Liebe zu Dir, wird ein milder Kritiker sein, & Dir rathen & helfen. — Es thut mir gar leid ihn nicht persöhnlich, sondern nur nach Deinen Beschreibungen kennen zu können; aber welchen Schatz er sich erworben hat, das weiss ich wohl. — Wir beide kennen unsere gegenseitigen Männer nicht, doch hat jeder Vertrauen zu der Wahl des anderen gehabt. — Wie unbeschreiblich glücklich & zufrieden ich bin — Gott gebe dass Du es auch sein wirst. Lass mich nur nicht ganz aus Deinem neuen Leben schwinden — ich möchte meine alte, treue Freundin doch nicht verlieren; wenn es Dich nicht langweilt, so wird es enorm viel für Dich geben, mir zu erzählen. Dein Leben wird sich ja ganz anders gestalten & Dein Verkehr mit der Menschheit. Nun Du hast ja in Deinem elterlichen Hause viele Künstler näher kennen gelernt & das wird Dir sicher eine Hülfe sein. Aber das Leben in einer grossen Stadt wie Berlin, wird zuerst nicht ganz leicht sein — ich weiss wie gefangen ich mir in Petersburg vorkam — man sehnt sich hinaus in den nahen, stillen Wald. — Ich möchte zu gerne öfter Nachrichten von Dir haben — sehr bescheiden ist meine Frage nicht, — aber alles was Dich angeht, interessiert mich, haben wir doch von klein auf unsere Lebenswege gekannt. —
Alles ist nun prächtig grün — die Birken riechen herrlich; auch sind die langen Tage sehr angenehm, denn wir fahren immer bis 10½ oder 11. & bewundern die prächtigsten Sonnununtergänge. — Kannst Du mir nicht etwas über August's Hochzeit erzählen, wo & wie sie war, & wie seine Braut aussah & wer die Brautjungfern. Ist er mit seiner Stellung in Koeln zufrieden? Wie einsam Deine arme Mutter sein wird, Ernst müsste sich rasch eine nette Frau suchen, & dann bei der Mama wohnen. — Was macht Victoria? — Madelaine schicke ich auf Urlaub nach Hause, der Feldjäger nimmt sie unter seinen Schutz. Wie ich sie beneide nach Darmstadt zu gehen! Ich bin noch nie so lange von zu Hause weggewesen. — Du kannst auch ruhig durch die Post schreiben. — Die Vögel singen so lustig um mich her, & die Fische springen im Teich. — Anfang Juni wird meine Adresse Peterhof sein; endlich dann an der See. — Aber ich muss noch viel schreiben — drei Couriere gehen — nach Darmstadt — England, & Abas Tuman zu der Kaiserin.
Lass mich bald ein kleines Lebenszeichen erhalten. —
Es küsst Dich innig,
Deine sehr treue alte Freundin Alix.
God bless you. — Ich lasse Deine Mutter herzlichst grüssen, & ich dächte viel an sie in den letzten Wochen eures Beisammenseins. —
English translation (my own; original English in italics):
Zarskoe Selo, May 10/22 95
My darling Toni,
I must send you a few lines through the Feldjäger. I am lying alone here on a small island — my sweet husband went horseback riding, you can imagine how sorry I am that I cannot accompany him on his rides. But if the reason that keeps one from doing it is like mine, then one cannot complain. To my great happiness this unspeakable joy in prospect — how can I ever thank God enough for it. I have often been miserable, but now I am better again, I just must not tire myself & can hardly stand — I have also become very thin. November is my time, I have told you this in secret. —
Would you like to be so kind and send your sister-in-law this note and the small brooch in the white box from me with many greetings. How kind it was of her to burn the picture for me. — I am now also sending you my modest wedding gifts, not knowing what the date of your wedding is. The brooch with the loyalty stone should not make you forget your old Friend — I very much hope you will daily use the little salt jars — then I shall always be with you. — Just let me know the date & plans so that you can send a letter meets you at home & my thoughts & prayers can go with you. —
Many thanks for the photo; what a noble, beautiful head he has. I can well imagine how much you must have enjoyed your stay in Berlin — and what a great pleasure it was to see his works being created. You must also diligently pick up the brush and not be ashamed of him; as a great painter, apart from his love for you, he will be a mild critic and advise and help you. — I am very sorry not to be able to know him personally, but only from your descriptions; but what a treasure he has acquired, I know well. — Neither of us know each other's husbands, but each had confidence in the other's choice. — How indescribably happy & content I am — God grant that you will be too. Just do not let me disappear completely from your new life — I do not want to lose my old, faithful Friend after all; if you are not bored, there will be an awful lot for you to tell me. Your life will be completely different & your intercourse with people. Well, you got to know many artists better in your parents' home & that will certainly be of help to you. But life in a big city like Berlin will not be easy at first — I know how trapped I felt in Petersburg — one longs to go out into the nearby, quiet forest. — I would very much like to have more news from you — my question is not very modest — but everything that concerns you interests me, as we have known our paths in life from an early age. —
Everything is splendidly green now — the birches smell wonderful; also the long days are very pleasant as we always drive until 10½ or 11 & admire the most magnificent sunsets. — Can you tell me about August's wedding, where & how it was, & what his bride looked like & who the bridesmaids were. Is he satisfied with his position in Cologne? How lonely your poor mother will be, Ernst would have to find a nice wife quickly and then live with Mama. — What is Victoria doing? — I am sending Madelaine home on leave, the police officer takes her under his protection. How I envy her going to Darmstadt! I have never been away from home for so long. — You can also write through the post. — The birds sing so merrily around me, & the fish are jumping in the pond. — At the beginning of June my address will be Peterhof; finally at the sea. — But I still have a lot to write — go three couriers — to Darmstadt — England, & Abas Tuman to the Empress.
Let me receive a little sign of life soon. —
A hearty kiss
Your very faithful old friend Alix.
God bless you. — I send my warmest regards to your mother, & I thought of her very much during the last weeks of your being together. —
Above: Alexandra.
Note: Alexandra was pregnant with her first child (Olga) at the time this letter was written.
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