Source:
Briefe der Zarin Alexandra von Russland an ihre Jugendfreundin Toni Becker-Bracht (2009), edited by Lotte Hoffmann-Kuhnt
The letter:
aeta for ever, Treu bis zum Tod!
Osborne
Den 14ten Aug. 1889
Meine liebe, gute Tebe,
In grosser Eile schicke ich Dir diese Zeilen, denn der Courier geht bald, & ich habe noch verschiedene Briefe zu schreiben.
Die Überfahrt war neulich sehr gut — 190 Passagiere waren auf dem Schiff, & darunter die merkwürdigsten Gestalten, wie Du Dir wohl denken kannst. Nur ein Herr war mir von Darmstadt her bekannt, Mr. Green, der Stellvertreter vom Mr. Jocelyn. — Herr v. Grancy begleitete uns bis Fliessingen, & da schickte uns die Grossmama einen Herrn entgegen. —
In London frühstückten wir; dann wusch ich mich, dann schlief ich, dann kam der Haarschneider, dann schaffte ich mir einen Hut an, dann gings in den Garten, hierauf um 2 zum Essen, & dann gings los. Frl. von F[abrice] & ich suppierten hier allein, & dann gings zu Bett. —
Gestern Nachmittag bin ich mit Heinrich B[attenberg] & einer Dame auf seiner Yacht "Sheila" gefahren. Zuerst segelten wir, dann, da der Wind nicht stark genug war, wurden wir gerudert, dann von einer steamlaunch geschleppt, dann wurde gelandet, zu Fuss gegangen, gefahren, & endlich kamen wir an die prachtvolle Ruine von Netl[e]y Abbey. — Auf der Yacht ist der eine Matrose, ungefähr 19 Jahre alt, ein Schwede. Er sieht deutsch aus, hübsch, blond. Er spricht aber kein Deutsch, sondern Englisch, & heißt Carlsen, sie nennen ihn aber Charly, da es einfacher & leichter für sie auszusprechen ist. —
Ich hatte den ganzen Tag über Kopfweh, habe aber trotzdem mitsuppiert, da keine Fremde[n] da waren, denn sonst fürchte ich, wäre mein armer Kopf geplatzt. —
Ehe wir wegreisten, sagte mir mein Vater, dass Eddy in Schottland sein wird, ich sollte ihm freundlich entgegengehen, der Junge dränge ja nicht, & gehe auch nach Indien, & ich hätte noch Zeit. — Ach Schatz, es ist hart, ich hoffte so, ihn nicht zu sehen. Nun weiter, — hier komme ich in mein altes Zimmer, & finde hinter dem Clavier eine Büste von ihm, die ich natürlich da immer sehen muss, da dass Zimmer so klein. Jetzt haben auch Grossmama & Tante [Alix] arrangiert, dass Frl. v. F[abrice] nach Schottland mitgeht. Noch nie hat eine von uns eine Dame dort hingenommen, — die Geschichte kann ich mir schon ausdenken, dann sollen sie, & ich, & er & eine Englische Dame zusammen ausgehen, & ich kann allein mit ihm vorangehen. Ich denke mir dieses nur, wirklich ich werde ganz suspicious, & das ist kein schöner Charakterzug, aber wirklich ich kann nicht anders. Wenn das nur alles für den Broschenmensch wäre, dann wäre ich ja ganz selig. — Der arme andere dauert mich, ich kann es aber nicht ändern, ich will aber mein bestes versuchen, ihm freundlich zu sein, — aber ganz frei, kann man sich doch nie gegenüberstehen, wenn man weiss, dass einem die anderen immer beobachten. Du kannst Dir nicht denken, wie es mich schmerzt, ihm wehe zu thun, denn er ist ein so guter Junge, ich kenne ihn ja solange ich exestiere. Mehr wie für einen Vetter & Bruder, kann ich nicht für ihn fühlen. — Wie viele Thränen kostet es mir, & so ganz allein & rathlos. —
Doch Ernie kommt an 28ten, glaube ich, der wird eine Stütze für mich sein, der Liebe. — Ella wünscht nicht, dass ich ein Wort über den Broschenmensch & mir zu irgend jemand sage. — Schatz, — ich fürchte &. zitterte, dass es nie dazu kommen wird, — oh! warum kann man nicht glücklich werden, &. warum müssen einem so viele, viele Sachen im Wege stehen. Du kennst ja das Gefühl, — aber ich bin so ganz allein jetzt. — Oh! Kind! ich zittere vor Schotland, und darf es keiner wissen, oh! was soll ich, soll ich machen? Ich will ihm zeigen, dass ich nicht für ihn fühle, wie er wünscht, aber zu kalt will ich auch nicht sein, & das werde ich dann so leicht, & dann schmerzt es ihn, & kränkt die Grossmama. So lange sie nicht zu mir spricht, ist alles gut, mit ihm geht es leichter. Ernie kann mir helfen. Verzeihe, diese lange Geschichte, aber es thut mir gut, mich auszusprechen, da ich niemand hier habe, mit dem ich so frei reden kann, vor dem ich mein Herz ausschütten kann. Immer, immer muss ich daran denken, & fast immer kommen mir die verrätherischen Thränen in die Augen. —
Heisse Küsse von Deiner Alten. —
English translation (my own):
aeta for ever, Faithful unto death!
Osborne
14th Aug. 1889.
My dear, good Tebe,
I am sending you these lines in a great hurry, as the courier is leaving soon & I still have several letters to write.
The crossing was very good the other day — 190 passengers were on the ship, & among them the strangest characters, as you can well imagine. There was only one gentleman I knew from Darmstadt, Mr. Green, Mr. Jocelyn's deputy. — Herr v. Grancy accompanied us to Fliessingen, & then Grandmama sent a gentleman to meet us. —
We had breakfast in London; then I washed, then I slept, then the hair clipper came, then I got myself a hat, then we went to the garden, then at 2 to luncheon, & then we started. Fräulein v. Fabrice & I dined here alone, & then we went to bed. —
Yesterday afternoon I went with Heinrich Battenberg & a Lady on his Yacht "Sheila". First we sailed, then, as the wind was not strong enough, we were rowed, then towed by a steamlaunch, then we landed, walked, drove, & finally we came to the magnificent ruins of Netley Abbey. — One of the sailors on the Yacht, around 19 years old, is a Swede. He looks German, handsome, blond. He does not speak German, but English, & his name is Carlsen, but they call him Charly because it is simpler & easier for them to pronounce. —
I had a headache the whole day, but I still went along because there were not any strangers, otherwise I fear my poor head would have burst. —
Before we left, my Father told me that Eddy will be in Scotland, I should meet him in a friendly manner, the boy is not pushing, & goes to India too, & I still have time. — Oh Darling, it is difficult, I was so hoping not to see him. Now go on, — here I come to my old room, & find a bust of him behind the piano, which of course I always have to see, since the room is so small. Now Grandmama & Aunty [Alix] have arranged that Fräulein v. Fabrice goes to Scotland. Neither of us has ever received a Lady there — I can already make up the story, then they, & I, & he & an English Lady should go out together, & I can go ahead with him alone. I just think this to myself, really I get suspicious, & that is not a nice trait of character, but really I cannot help it. If only it were all for the Brooch-Man, then I would be very happy. — The poor other takes me, but I cannot change it, but I want to try my best to be friendly to him, — but completely free, one can never face another if one knows that the others are always watching one. You cannot imagine how it hurts me to hurt him, for he is such a good boy, I have known him as long as I have existed. I cannot feel more for him than for a Cousin & Brother. — How many tears it does cost me, & so all alone & at a loss. —
But Ernie comes on the 28th, I think that will be a support for me, the love. — Ella does not wish me to say one word to anyone about the Brooch-Man & myself. — Darling, — I was afraid &. trembled that it should never come to that — oh! why cannot one be happy &. why do so many, many things have to stand in the way. You know the feeling, — but I am so alone now. — Oh! Child! I tremble at Scotland, and no one must know, oh! what shall, shall I do? I want to show him that I do not feel for him as he wishes, but I do not want to be too cold either, & it will be so easy for me to do that, & then it hurts him & offends Grandmama. As long as she does not speak to me, all is well, it is easier with him. Ernie can help me. Forgive me for this long story, but it does me good to speak up, since I have no one here with whom I can talk so freely, before whom I can pour out my heart. Always, always I must think of it, & almost always the treacherous tears come to my eyes. —
Warm kisses from your Alte. —
Above: Alix.
Notes: Fliessingen = Vlissingen.
Broschenmensch = a reference to a brooch that Nicholas had given Alix in St. Petersburg in 1884.
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