Source:
Briefe der Zarin Alexandra von Russland an ihre Jugendfreundin Toni Becker-Bracht (2009), edited by Lotte Hoffmann-Kuhnt
The letter:
Balmoral den 1ten Juni 1891
Geliebtes Kind,
Ich will heute einige Zeilen an Dich beginnen, die dann morgen mit dem messenger gehen können. Ich hätte gerne einmal in der Woche geschrieben, aber ich bin nicht dazu gekommen, ich male eben viel auf Porzellan & dann giebt es noch manches Andere zu thun. Endlich scheint das Wetter schön zu werden & recht warm; angenehm nach diesem scheusslichen Wetter — die Hitze mag ich natürlich nicht, aber ich will doch nicht klagen. Neulich haben wir Lawntennis gespielt, & es war sehr nett. Ich hoffe wir werden es noch oft thun. Geritten bin ich auch einmal; zu vieren waren wir, ich habe es nicht sehr genossen, denn mein Pferd zappelte so auf dem Rückweg, & machte mich ganz nervös, — ich werde noch leicht ängstlich, hoffentlich verliert sich das aber bald, denn es verdirbt einem allen Spass am Reiten. Zu Hause ist es anders, auf demselben, lieben Pferd jedesmals neben Herrn v. Riedesel, der so gut und freundlich ist, & so aufpasst. —
den 2ten
Für Deinen sehr lieben Brief, den ich heute Morgen erhielt, tausend Dank und einen innigen Kuss. — Es thut mir so gut, Briefe aus der lieben Heimath zu bekommen, dies ist ja eigentlich meine 2te Heimath, sie sind auch alle so freundlich & gut, — aber ich stehe die ganze Zeit Ängste aus, sie sprechen so oft von Nicky. Du kannst Dir denken wie es mir dabei zu Muth wird — glücklicherweise werde ich dann nicht immer roth, also denken sie nichts, hoffe ich, heute vorhin sprach die Grossmama mit meiner Schwester davon, ich hörte nur den Schluss, meine Tante Alix, die Mutter von Eddy hat es erzählt, sie ist neidisch, kann mir eigentlich die Geschichte mit ihrem Sohn nicht vergeben. Ihre Schwester die Kaiserin v. R. muss ihr irgend etwas gesagt haben; aber ich hörte wie Victoria sagte, sie glaube die Tante habe exageriert — & die ahnt nichts. — Wenn Grossmama über ihn und seinen Bruder spricht, guckt sie mich immer an, sodass ich mitsprechen & antworten muss, was furchtbar weh thut. Oh, Kind, warum können die Menschen einen nicht in Frieden lassen, — ich hasse wenn ich allein jetzt mit meiner Schwester bin, aus Angst, dass sie mich etwas frägt — Antwort wird sie keine kriegen, aber wenn mein Gesicht mich verräth, dann weiss ich nicht was ich anfange. — Diese beständige Unruhe greift sehr an, ich fühle mich manchmal innerlich ganz fertig, & dann soll man sprechen & lustig sein. — Ich male viel auf Porzellan, und das zerstreut. Die Andern fischen viel. Eine furchtbar traurige Geschichte ist hier letzte Woche passiert; ein junger Offizier von Ballater, die Station von hier (derselbe der die Fahne hielt, als wir ankamen), ist beim Fischen ertrunken — es ist zu grass. — Heute ist es greulich warm, aber dabei gar windig. — Wir werden wohl am 26ten unsere Reise nach Hause antreten, es ist aber noch nicht bestimmt. —
Für heute Addio, & bless you, bete für mich am 6ten, mir graut immer vor dem neuen Jahr, letztes Jahr war es mir auch schmerzlich zu Muth
— Du wirst mich für einen Hasenfuss halten.
A long kiss, ever Y. very loving Alte
English translation (my own, original English in italics):
Balmoral, 1st June 1891
Darling Child,
I want to start a few lines for you today, which you can then use the messenger tomorrow. I would have liked to write once a week, but I never got around to it, I simply paint a lot on porcelain & then there are still many other things to do. Finally the weather seems to be nice & quite warm; pleasant after this hideous weather — of course I do not like the heat, but I don't want to complain. We played Lawn Tennis the other day & it was very nice. I hope we will do it often. I rode once too; there were four of us, I did not enjoy it very much, because my horse wriggled so on the way back, & made me very nervous, — I get frightened a bit, but hopefully that will soon be lost, because it spoils everyone who enjoys riding. At home it is different, on the same dear horse next to Herr v. Riedesel who is so good and friendly & so takes care. —
2nd
For your very dear letter that I received this morning, a thousand thanks and a deep kiss. — It does me so good to get letters from my dear Home, this is actually my 2nd Home, they are all so friendly and good too, — but I am anxious all the time, they talk so often about Nicky. You can imagine how it will give me courage — luckily I don't always get red, so do not think anything, I hope, today Grandmama talked about it with my sister, I just heard the end, my Aunt Alix, Eddy's mother said it, she is jealous, cannot really forgive me for the story with her son. Her sister the Empress of R[ussia] must have said something to her; but I heard Victoria say she thinks Aunty has exaggerated — & she has no idea. — When Grandmama talks about him and his brother, she always looks at me so that I have to join in and answer, which hurts terribly. Oh, Child, why can't people leave one in peace — I hate when I am alone with my sister now, for fear that she will ask me something — she won't get an answer, but if my face betrays me, then I do not know what I am beginning. — This constant restlessness is very attacking, I sometimes feel completely exhausted inside, & then one must talk and be witty. — I paint a lot on porcelain, and that is scattered. The others fish a lot. A terribly sad story happened here last week; a young officer from Ballater, the station from here (the same one who held the flag when we arrived) drowned while fishing — it is too sad. — Today it is terribly warm, but very windy. — We will probably begin our journey home on the 26th, but it has not yet been determined. —
For today Addio, & bless you, pray for me on the 6th, I always dread the New Year, last year it was also painful to me
— You will think I am a coward.
A long kiss, ever Y. very loving Alte
Above: Alix. Photo courtesy of TatianaZ on Flickr.
Above: Toni Becker.
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